Liebe Studierende,
einen Großteil Eures Lebens verbringt ihr in der Universität. Lernen, Leben und Arbeiten. Vieles ärgert Euch – Anwesenheitspflichten, Prüfungsordnungen, keine Wohnheimzimmer, kein studentisches Café, strenge Reglementierung in der neuen Uni-Bibliothek, kein Wohnraum in der Stadt und mehr – doch ihr regt Euch nur auf, weil ihr ja eh nichts tun könnt…
Falsch. Ihr könnt Euch Gehör verschaffen und Euch Veränderungen in der Uni, im Studentenwerk und auch in der Stadt gemeinsam mit anderen Studierenden erkämpfen!
Wie? Durch die studentische Vollversammlung
Wann? Dienstag, den 25.06.19 ab 18 Uhr im Audimax (Hörsaalgebäude in der Biegenstr. 12)
Wir werden gemeinsam Zusammentragen, was Euch stört, was dringend verbessert werden muss und von welchen Institutionen wir als gesamte Studierendenschaft der Philipps-Universität Marburg einfordern.
Eine Grundlage bilden die Ergebnisse der Konferenz zu Freiräumen, die letzten Monat von uns veranstaltet wurde.
Aus den dort erarbeiteten Positionen und den Ergebnissen unserer Diskussionen in der Vollversammlung werden wir ein Forderungspapier erarbeiten. Wir vom AStA werden die Forderungen im Anschluss mit der Stadt, der Universität und dem Studentenwerk besprechen und möglichst vieles umsetzen.
Ablauf:
18:00 Begrüßung
18:15 Erkundung der Forderungs-Ausstellung „Unsere Freiräume“
18:45 Erarbeitung weiterer Forderungen in Gruppen
19:45 Pause
20:00 Gemeinsame Abschlussdiskussion und Formulierung des Forderungspapiers
Studentische Freiräume erkämpfen!
Die Möglichkeit studieren zu können, wird trotz einer stets steigenden Anzahl an Studierenden immer noch als Privileg verkauft, wofür man der Gesellschaft dankbar sein sollte. Dabei haben die romantisierenden Erzählungen über ein freies Studium wenig mit der Lebensrealität heutiger Studierenden zu tun. Besonders nach der Bologna Reform scheinen die Universitäten nur noch ökonomisch ausgerichtete Lernfabriken zu sein, die jegliche freie Entfaltung im Studium verhindern. Verschulte Studienordnungen, geringe Regelstudienzeit, wenig Raum zum selbstbestimmten studieren und kaum freie Auswahl an Veranstaltungen sind nur ein Teil der einengenden Entwicklungen in den letzten Jahren. Das muss aber nicht so sein! Denn die Universität gehört nicht nur den Verwaltenden und Entscheidungsträger*innen, sie gehört vor allem uns, den Studierenden. Es ist an der Zeit, unseren Forderungen nach mehr Freiräumen Ausdruck zu verleihen und sich seine Teilhabe zu erkämpfen.
Demokratisierung der Hochschule
Mittlerweile gehören studentische Vertreter*innen in den Gremien der Universitäten, sowie eine selbstverwaltete Studierendenschaft in Form von Asten zu einer Selbstverständlichkeit. Aber erst seit den studentischen Protesten um Selbstbestimmung in den 1968ern hat der Prozess der Demokratisierung der Hochschulen begonnen. Darauf aufbauend wurde auch in den letzten Jahrzehnten gegen alltägliche Dinge wie zu hohe Semesterbeiträge, Anwesenheitslisten, Multiple-Choice Klausuren und überfüllte Seminare, aber auch gegen die Uni als ökonomischer Betrieb im allgemeinen protestiert. Dabei hat sich gezeigt, dass Freiräume nie einfach zugestanden werden, sondern immer erkämpft werden mussten. Ein neoliberales Bildungssystem arbeitet immer gegen und nicht für Freiräume. Die letzten großen Proteste gegen einengende Bildungsreformen sind in Hessen 2007-2009 gegen die aufkommenden Semestergebühren geführt worden. Es ist also notwendig an dem bereits Erkämpften anzuknüpfen und eine Alternative zur bestehenden Einengung der studentischen Freiheiten zu entwickeln.
Ein weiteres Problemfeld stellt der Nicht-Einbezug gesellschaftlich marginalisierter Gruppen dar. Weder Frauen*, LGBTIQ, Menschen mit Behinderungen, noch von Rassismus, sowie Klassismus betroffene Personen sind ausreichend in universitären Strukturen und Gremien vertreten. So spiegelt die Universität auch die bundesdeutschen Herrschaftsverhältnisse wieder. Auch ASten, die zu Teilen versuchen mit Hilfe von Autonomen Referaten und anderen Praktiken gegen dieses Problem vorzugehen, scheitern oft daran, diese Machtverhältnisse aufzubrechen. Der Kampf für Freiräume bedeutet aber auch die Bekämpfung jeglicher Herrschaftsverhältnisse. Eine Demokratisierung der Hochschule bedeutet Teilhabe für Alle!
Freiräume in Marburg
Trotz eines pompösen Neubaus der Univeritätsbibliothek (UB) am alten Botanischen Garten und ein damit einhergehender Leerstand in der PhilFak, der alten UB und etlichen anderen Universitätsgebäuden gehen bis jetzt studentische Initiativen, der AstA, autonome Referate/Archive, sowie andere studentische Gruppen leer aus, obwohl diese dringend Räume benötigen. Die neue Univeritätsbibliothek wirkt zudem wie ein steriler Ort, welcher keinen PLatz für nicht-ökonomische (CoLibri) Bedürfnisse bietet und soziale Interaktionen abseits des Lernens nicht zulässt. Generell wurden bei dem Erbau der neuen UB weder der AstA, die Fachschaften, noch andere studentische Gremien mit einbezogen. Dies stellt ein großes Problem dar, denn ein aus vermeintlichen Gründen der Hygiene müssen mehrere Fachschaftscafes ihren Betrieb einstellen, was z.B. durch ein studentisches Cafe oder studentische Räumeabseits des Lernstresses in der UB hätte ausgeglichen werden können. Wenn die Universitätsleitung also nicht dazu bereit ist uns unsere Freiräume an der Uni zuzugestehen, müssen wir uns diese eben erstreiten!
Auch abseits universitärer Räumlichkeiten gibt es in Marburg aktuell einen freiraumfeindlichen Trend. So sind die hauptsächlich durch Student*innen etablierte und genutzte Freiräume wie die Kollektivkneipe Havanna8 und der Wagenplatz GleisX von Verdrängung betroffen, während kein zusätzlicher Raum für kulturelle und soziale Projekte durch die Stadt zur Verfügung gestellt, sondern der Kulturhaushalt gekürzt wird. Dabei machen Student*innen in Marburg mit eine der größten gesellschaftlichen Gruppen aus, die ein hohes Bedürfnis nach selbstorganisierter Kultur hat. Dennoch gibt es in Marburg viele wichtige soziale, kulturelle und unkommerzielle Freiräume von deren Erfahrungen und sozialen Kämpfen wir lernen können. Ein selbstbestimmtes Leben ist möglich!
Die Wohnraumsituation in Marburg verläuft leider ebenso restriktiv. Auf dem Wohnungsmarkt werden Student*innen gegen andere prekär lebenden Familien und Einzelpersonen ausgespielt, während weder die Universität noch die Stadt eine Antwort auf Immobilienspekulation in Marburg hat. Denn die meist ausgelagerten, schlecht angebundenen und dadurch isolierten Student*innenwohnheime sind auch keine Lösung. Genauso wenig wie die geplanten Einzimmerappartements im Richtsberg 88, welche zu keinem Maße einer Vorstellung von gemeinschaftlichem Wohnen gerecht werden. Dabei gibt es auch in Marburg einige Beispiele wie gemeinschaftliches Wohnen zu geringen Mieten und in großen Gebäudestrukturen möglich ist. An diese Konzepte gilt es anzuknüpfen. Die Stadt und Uni können noch viel von selbstorganisierten Strukturen lernen!